Paneuropa, der St. Georgs-Orden und die UEWHG (im Nachfolgenden gemeinsam als Redaktion bezeichnet) führten am 3. März 2020 zur aktuellen Situation rund um das Heeresgeschichtliche Museum ein ausführliches Interview mit dessen Direktor Dr. Christian Ortner.
Redaktion: Das Heeresgeschichtliche Museum HGM ist wohl ein einzigartiges Museum. Was ist das Besondere an diesem Haus?
Christian Ortner: Das Heeresgeschichtliche Museum ist nicht nur der älteste regelrechte Museumsbau in Wien, sondern in seiner Gesamtkonzeption beeindruckend, weil in dieser Institution Architektur, Inhalt und museale Bedeutung zu einem einzigartigen Großen verschmelzen. Es ist in seiner Bedeutung auch nicht auf das heutige Österreich beschränkt, sondern hat eine starke mitteleuropäische, vielleicht sogar europäische Dimension.
Redaktion: Das Museum hat ja eine besondere Entstehungsgeschichte. Was war der ursprüngliche Auftrag?
Christian Ortner: Das Museum selbst verdankt sein Entstehen einem elementaren Ereignis, nämlich den sozialen und nationalen Revolutionen der Jahre 1848/49. Nach deren Niederschlagung bzw. Beendigung entschied man sich innerhalb der militärischen Führung, im Großraum Wien drei große Kasernenbauten als sogenannte Defensionskasernen zu errichten, um im Falle neuerlicher Unruhen die Stadt kontrollieren zu können – also eine klare antirevolutionäre, vielleicht sogar antidemokratische Bedeutung. Dazu zählen das heutige Amtsgebäude Rossau, die Kaserne Arsenal und die dritte Kaserne existiert heute nicht mehr, diese war „am Hof“ errichtet worden. Diese drei Kasernen bilden ein Dreieck, mit dem man „die Stadt immer unter Kontrolle halten konnte“. Der Kaiser selber ordnete für das Arsenal auch einen Kulturbau an, der damals die kaiserliche Waffensammlung aufnehmen sollte. Daraus entstand das sogenannte k.k. Hofwaffenmuseum. Das heutige HGM wurde 1869 erstmals als Waffenmuseum eröffnet, natürlich in einem kleineren Rahmen. In den Jahren danach wurden die Sammlungen jedoch teilweise in die heutige Hof-, Jagd- und Rüstkammer, also ins Kunsthistorische Museum überführt. Es musste nun ein neues Konzept gefunden werden, welches insbesondere durch Kronprinz Rudolf gefördert wurde, und nun vorsah, ein historisches Militärmuseum zu schaffen. Das war damals revolutionär. Damit ist das Heeresgeschichtliche Museum das älteste historische Militärmuseum der Welt. Es wurde dann 1891 als k.(u.)k. Heeresmuseum neuerlich eröffnet. Nach Ende der Monarchie 1918/1919 bestanden Initiativen, das gesamte Museum als Symbol des k.u.k. Militarismus bzw. Monarchismus zu schließen, sogar niederzureißen bzw. in seiner Gesamtheit, also Sammlungen und Gebäude, in die USA zu verkaufen. Letztlich waren es aber unter anderem die Veteranen des Ersten Weltkriegs, welche die Frage stellten, wer denn dann ihre eigene Geschichte erzählen würde. Diese Überlegungen haben sich dann letztlich durchgesetzt.
Redaktion: Was ist der heutige Auftrag des Museums?
Christian Ortner: Der heutige Auftrag des Museums ist die Darstellung der österreichischen militärischen Geschichte vom ausgehenden 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart, in einem geographisch und auch historisch weiter gefassten Rahmen, mit Abstimmung auf militärtechnische, soziale und gesellschaftliche Entwicklungen bzw. auch auf die politische Geschichte. Das heißt, Militärgeschichte nicht als reine Operationsgeschichte, sondern eingebettet in einen allgemeinen historischen Strang. Aber als „roter Faden“ der Darstellung fungiert die österreichische Militärgeschichte.
Redaktion: Wenn man Kritiker hört, dann hat man den Eindruck, für sie passt ein solches Museum nicht mehr in die heutige Zeit, weil es angeblich den Krieg oder die Waffen verherrlicht. Dabei haben Sie mit dem Slogan „Kriege gehören ins Museum“ eine recht klare Antwort zu diesem Vorwurf geliefert.
Christian Ortner: Wir dürfen nicht vergessen, dass militärhistorische Museen oder Heeresmuseen immer polarisieren. Insbesondere im deutschsprachigen Raum. Es geht einfach darum, wie eine Gesellschaft mit der „bewaffneten Macht“ umgeht, sowohl in der Gegenwart als auch in der Geschichte. Dementsprechend wird sich jeder unter dem Blickwinkel seiner eigenen, persönlichen Geschichte dieser Materie annähern. Eben deshalb glaube ich, dass man die museale Darstellung der Militärgeschichte nicht ausklammern sollte. Im Gegenteil. Auch wenn die Thematik natürlich polarisiert, hat Militärgeschichte eine wichtige Funktion. In der modernen Gesellschaft vergisst man gerade in Phasen einer langen Friedensperiode, dass sie oftmals aufgrund von kriegerischen bzw. militärischen Entwicklungen entstanden ist. Das Heeresgeschichtliche Museum kann natürlich keinen guten Geschichtsunterricht ersetzen, aber es kann das Verständnis für die eigene Geschichte begleiten und unterstützen.
Redaktion: In einer Kultursendung des ORF wurde geradezu vorwurfsvoll in der Einleitung darauf hingewiesen, dass hier die Habsburger-Herrscher und ihre Feldherren noch immer stehen. Was würde vom HGM übrig bleiben, würde man diese Zeit weglassen?
Christian Ortner: Das HGM stellt derzeit die Militärgeschichte vom ausgehenden 16. Jahrhundert bis 1991 dar, die Geschichte des Bundesheeres der Zweiten Republik wird im Rahmen des Sonderausstellungspavillons gezeigt. Wenn man die Geschichte der Monarchie ausklammern würde, hieße es fast 350 Jahre auszuklammern, de facto wären damit rund drei Viertel des Museums nicht mehr vorhanden.
Redaktion: Das heißt, man würde einen Teil der Geschichte Österreichs unter den Teppich kehren.
Christian Ortner: Wir dürfen nicht vergessen, dass es sich um eine Gesamtdarstellung von fast fünf Jahrhunderten handelt, die Geschichte der Republik umfasst rund 100 Jahre.
Redaktion: Sie selbst sind Historiker. Vielfach hat man als geschichtlich interessierter Beobachter heute den Eindruck, eine starke Richtung in der Geschichtswissenschaft tendiert dazu, alles Historische aus der heutigen Sicht zu interpretieren und zu bewerten. Ist so etwas zulässig?
Christian Ortner: Das ist eine populäre Herangehensweise an Geschichte. Auch weil man dazu neigt, aus der Geschichte jene Elemente besonders hervorzuheben, die sich als historische Fundierung für das eigene Weltbild, das eigene Kulturverständnis, vielleicht auch die eigene Ideologie anbieten. Daraus entstehen dann wenig zweckmäßige Bewertungen oder Urteile auf Basis gegenwärtiger Wertvorstellungen. Um dies zu verhindern, bedient sich die seriöse historische Wissenschaft des zeitgenössischen Vergleichs. Das heißt: Protagonisten und Ereignisse werden in einen internationalen zeitgenössischen Kontext gesetzt und gegenübergestellt. Damit wird eine Einschätzung „aus der Zeit“ möglich. Etwa wenn man sich der Person eines Generalstabschefs annähert, so wird man ihn nicht mit einem heutigen Generalstabchef vergleichen können, sondern muss ihn mit seinen damaligen europäischen Pendants vergleichen. Erst dann ist es möglich festzustellen, ob es sich um einen besonders martialischen oder einen friedfertigen General gehandelt hat.
Redaktion: Das würde ja auch bedeuten, dass Geschichtswissenschaft zu einem politischen Tendenzbetrieb und damit auch manipulierbar würde.
Christian Ortner: Ich glaube, die historische Wahrheit erschließt sich dann, wenn es gelingt, möglichst viele Perspektiven zu berücksichtigen. Das ist manchmal schwierig und natürlich auch aufwendig. Manchmal sind wir versucht, der Einfachheit wegen oder weil es ins eigene Konzept passt, nur eine Perspektive heranzuziehen. Das halte ich für sehr problematisch, denn der Geschichtestudent lernt dies bereits in seiner ersten Einführungsvorlesung an der Universität: mit unseriös betriebener Geschichtswissenschaft lässt sich viel Missbrauch betreiben.
Redaktion: Das ist ja auch einer der Vorwürfe, die gegen dieses Haus erhoben werden. Die Kritiker meinen dann: Ja, da gibt es eine Ausstellung und da werden Waffen gezeigt und es wird nicht dargestellt, wozu diese Waffen eingesetzt wurden. Muss man heute einem Museumsbesucher tatsächlich alles in erklärten Häppchen vorlegen, oder sollte er nicht in der Lage sein, ein Museum und die Geschichte zu bewerten?
Christian Ortner: Ich denke, dass man den klassischen Museumsbesucher nicht als Dummkopf darstellen sollte. In der Regel sind die Besucher sehr reflexionsfähig, insbesondere Erwachsene. Bei Jugendlichen ist die Herausforderung natürlich eine andere. Sie kommen jedoch fast immer in Begleitung, meist in Schulgruppen. Sie werden dann in der Regel von hauseigenen Kulturvermittlern begleitet und mit dem historischen Kontext vertraut gemacht werden. Auch hier stellen wir fest, dass die Jugendlichen sich sehr wohl einbringen und auch aktiv bei den einzelnen pädagogischen Programmen mitmachen.
Redaktion: Und natürlich kommt der Vorwurf, dass in so einem Museum nicht nur Panzer gezeigt werden, sondern auch kriegsverherrlichende Bilder, teilweise Devotionalien aus einer totalitären Zeit, wobei es in Österreich ja sehr strenge Gesetze gibt. Hat das HGM hier je gegen Gesetze verstoßen?
Christian Ortner: Nein, das Heeresgeschichtliche Museum ist natürlich als Dienststelle des Bundesministeriums für Landesverteidigung von bestimmten gesetzlichen Vorgaben ausgenommen, insbesondere was Kriegsmaterial und Waffen betrifft. Auf der anderen Seite glaube ich nicht, dass es sehr sinnvoll ist, Symbole, die für totalitäre Systeme stehen, auch aus der Ausstellung zu verbannen. Mir scheint es sinnvoller, sie im Museum als Zeugen der Vergangenheit zu zeigen als sie als Schmiererei irgendwo an eine Wand gesprüht oder auf einem jüdischen Grabstein zu finden.
Redaktion: Es gab auch Ausstellungen, wo verschiedene Händler ihre Waren angeboten haben, wo auch wieder der Vorwurf laut wurde, die hätten solche Symbole verkauft. Wie gehen Sie bei so etwas vor?
Christian Ortner: Es betrifft eine einzige Veranstaltung, wo wir zur Einnahmensteigerung auch Flohmarkthändler zugelassen haben. Es waren alle Standbetreiber angehalten, sämtliche gesetzlichen Vorgaben betreffend Waffengesetz, Kriegsmaterialienverordnung beziehungsweise die Bestimmungen hinsichtlich des Umgangs mit Gegenständen aus der Zeit des Nationalsozialismus einzuhalten. Sie haben das auch vertraglich zugesichert. Wir haben dies bei Kontrollgängen mehrmals überprüft. Es war auch die Exekutive vor Ort und hat kontrolliert. Es gab keinen einzigen Verstoß gegen eine dieser Bestimmungen.
Redaktion: Das hätte wohl auch einen riesen Wirbel verursacht.
Christian Ortner: Na selbstverständlich. Wir haben alle Standbetreiber striktest darauf hingewiesen, diese Vorgaben einzuhalten und haben das auch überprüft. Ob jemand unter der Hand etwas verkauft, kann man nicht kontrollieren, aber es gab keinen gemeldeten Verstoß gegen eine der gesetzlichen Bestimmungen.
Redaktion: Gibt es in den Ausstellungen auch etwas was den Widerstand, insbesondere gegen den Nationalsozialismus, dokumentiert?
Christian Ortner: Selbstverständlich. Wir haben im Saal „Republik und Diktatur“, der den Zeitabschnitt von 1918 bis 1945 abdeckt, einen eigenen Bereich mit dem Kapitel „Widerstand“. Da geht es vor allem um jene Österreicher, die etwa bei den jugoslawischen Tito-Partisanen im Einsatz waren oder in alliierten Armeen gedient haben, wie etwa die Angehörigen des kaum bekannten Österreicher-Bataillons der französischen Armee. Also der Bereich des Widerstandes, vor allem des militärischen Widerstandes – wir sind ja auch ein heeresgeschichtliches Museum – ist sehr prominent dargestellt.
Redaktion: Sie sind seit 15 Jahren Direktor. Wie hat sich das Haus in der Zeit entwickelt?
Christian Ortner: Ich habe das Haus im Jahr 2005, vorerst interimistisch mit der Führung betraut, und dann 2007 definitiv übernommen. Damals befand sich das Haus in einer schweren Krise, da die jährlichen Besucherzahlen rasant, und damit auch die entsprechenden Einnahmen, abgenommen haben. Die Vorgaben des Ressorts an meine Direktion waren dann sehr eindeutig: das Museum wieder auf ein einem Bundesmuseum entsprechendes Niveau zu bringen. Das ist uns dann auch tatsächlich gelungen. Von rund 58.000 bis 60.000 Besuchern sind wir jetzt auf rund 287.000 angestiegen, bei den Einnahmen haben wir eine Vervierfachung erzielt, und sind damit wieder innerhalb der Wiener Museumslandschaft angekommen. Darüber hinaus wurden in dieser Phase entsprechende Veränderungen im Haus selbst vorgenommen. Mit der Steigerung der Einnahmen waren dann auch größere Projekte möglich. Die Sanierung bzw. Neugestaltung von einzelnen Sälen wurde in Angriff genommen. So etwa wurde der Saal des Ersten Weltkriegs komplett neugestaltet, auch in anderen Sälen gab es Adaptierungsarbeiten, insbesondere was Konservatorik, Beschriftungen und die Beleuchtung betrifft. Gelöst wurde auch das Problem des Panzergartens. Damals standen die Gefechtsfahrzeuge nicht witterungsgeschützt im Freien. Wir konnten nun die Fahrzeuge alle in eine Halle überführen. Auch haben wir das Desiderat der Darstellung der Geschichte des Bundesheeres der Zweiten Republik durch eine kreative Aktion – in dem wir einen Ausstellungspavillon errichtet haben – gelöst. Es hat sich vieles getan, aber es stehen noch weitere Arbeiten in den Sälen an.
Redaktion: Noch eine Besonderheit dieses Museums ist, dass es dem Militär, dem Verteidigungsministerium gehört. Was auch wiederum von einigen Leuten kritisiert wird, die meinen, das HGM gehört in eine Art Museumsholding. Was würde sich ändern, wenn das Verteidigungsministerium nicht mehr der Eigentümer wäre?
Christian Ortner: Die Idee, eine andere Rechtspersönlichkeit für das Museum zu finden, entweder durch einen Ressortwechsel oder durch eine „Privatisierung“, ist bereits Anfang dieses Jahrtausends sehr intensiv geprüft worden. Man hat festgestellt, dass einerseits rechtliche Probleme vorliegen – Bestimmungen wie das Waffengesetz oder die Kriegsmaterialienverordnung –, zweitens die Abstützung auf die logistischen Systeme des Bundesheeres wegfallen würde. Wenn man alle durch das Bundesheer erbrachten Leistungen zukaufen müsste, wäre das Museum nach einem oder zwei Quartalen nicht mehr zahlungsfähig. Natürlich sind wir sehr stark auf die Infrastruktur des Bundesheeres angewiesen, etwa was Lagerung, Instandsetzung und Restaurierung von Großgerät betrifft. Das Museum würde ohne die militärische Unterstützung teilweise zusammenbrechen. Diese Leistungen, die das Bundesheer unentgeltlich für das Museum erbringt, sind pekuniär hoch im sechsstelligen, teilweise sogar im siebenstelligen Bereich anzusiedeln. Im Gegenzug erbringt das HGM wichtige Repräsentations- und Bildungsleistungen für die Streitkräfte und trägt zum historischen Selbstverständnis des Bundesheeres bei. Dies sind auch die Gründe, warum im internationalen Vergleich alle staatlichen Heeresmuseen – mit einer Ausnahme – den Verteidigungsministerien unterstehen.
Redaktion: Im Zusammenhang mit den schon genannten Vorwürfen, wonach hier eine Plattform geboten würde für sogenannte rechte Kräfte, wurde auch die Personalpolitik kritisiert. Ganz direkt gefragt, haben Sie problematische Leute im Haus?
Christian Ortner: Nein, sämtliche Bediensteten des Heeresgeschichtlichen Museums sind Bedienstete des Verteidigungsministeriums. Diese werden beim Neueintritt sofort einer Verlässlichkeitsprüfung unterzogen. Damit ist auch der Bereich des Extremismus überprüft. Unter den rund 80 Bediensteten des HGM befinden sich mehr als 20 mit Hochschulabschluss. Wenn sich der eine oder andere in seiner Studentenzeit einer Studentenverbindung angeschlossen hat, oder etwa im Rahmen der Österreichischen Hochschülerschaft einer politischen Fraktion angeschlossen hat, ist das der Zeit und dem Alter geschuldet. Sie werden aber keine politische Artikulation meiner Bediensteten im Rahmen des Hauses finden. Dementsprechend halte ich diesen Vorwurf für absurd und grotesk.
Redaktion: Dürfte sich ein Mitarbeiter des HGM bei einer Partei engagieren?
Christian Ortner: Jeder Bedienstete hat selbstverständlich seine aktiven und passiven Rechte als Staatsbürger.
Redaktion: Ein weiterer Vorwurf geht in die Richtung, dass die hier gezeigten Ausstellungsstücke betriebsfähig sind. Auch in der Asservatenkammer wird beispielsweise darauf geachtet, dass die dort ausgestellten Waffen noch voll betriebsfähig sind. Ist es für ein Museum erforderlich, dass die Ausstellungsstücke betriebsfähig sind?
Christian Ortner: Die Frage ist, welcher Philosophie man folgt. Ich meine, dass Museumsstücke authentisch, also unverändert im Originalzustand erhalten werden sollten. Also Waffen sind funktionsfähig, denn es geht auch um die Dokumentation der technischen Entwicklung. Ein zweiter Punkt betrifft insbesondere die Fahrzeuge. Jeder, der zu Hause einen Oldtimer besitzt, wird wissen, dass man ein gewisses Maß an Betriebsmitteln im Fahrzeug belassen muss, um eine Korrosion der technischen Teile zu verhindern. Dass hier im HGM Panzer vollaufgetankt und betriebsbereit stehen würden, ist natürlich nicht richtig: Die Batterien und die Verschlüsse der Waffen sind ausgebaut. Um diese Fahrzeuge in Betrieb zu nehmen, benötigt es zahlreiche Spezialisten, und zahlreiche Sicherheitsvorkehrungen sind einzuhalten. Der Vorteil der partiellen Betriebsfähigkeit liegt auch darin, dass man Gefechtsfahrzeuge selbständig bewegen kann. Wenn man, um ein Beispiel zu nehmen, einen Bergepanzer mit seinen 60 Tonnen um drei Meter verschieben will, ist es natürlich extrem aufwendig, dies mit einer Transport- oder Schleppvorrichtung zu machen.
Redaktion: In den Medien wurde des öfteren angesprochen, dass bei einzelnen Ausstellungsobjekten zu wenig kritisch darauf hingewiesen wird, was sie denn bedeuten und wo einst ihre Platzierung war. Ist es Aufgabe eines Museums, diese Kritik zu transportieren?
Christian Ortner: Gerade bei Militärmuseen geht jeder Besucher mit seiner eigenen Geschichte, meist familiär bedingt, in eine Ausstellung. Das heißt, der Wissensstand ist divergierend. Wir können keinen guten Geschichtsunterricht ersetzen und wir können auch nicht das Studium entsprechender Fachliteratur ersetzen. Das entscheidende ist, dass wir eine Kontextualisierung nicht unbedingt immer mit Texten vornehmen müssen, sondern auch in dem wir die Objekte zu Ensembles zusammenstellen. Es ist ein oft diskutierter museumsphilosophischer Ansatz, wie sich das Verhältnis von Text zu Objekt gestalten sollte. Es gibt Ausstellungen, die bestehen nur aus Text ohne Originalobjekte, andere wiederum nur aus Originalobjekten. Wenn man Objektgruppen zusammenstellt, in dem man etwa bei einem Kriegsschauplatz die beiden Gegner darstellt, dann ergibt sich bereits ein Kontext.
Redaktion: Man wird ja durch die Berichte recht rasch eingeordnet: Man sei Monarchist oder Rechter, wenn man in das Museum geht. Das stört mich persönlich. Ich mag nicht in eine Schublade gesteckt werden, wenn ich in ein Museum gehe. Ich habe auch noch nie erlebt, wenn ich ins Naturhistorische Museum gehe, dass jemand sagt, ich gehe der Gesinnung der Steinzeitmenschen nach. Gibt es da Ansätze, um diesem Image gegenzusteuern?
Christian Ortner: Diesem Image kann man relativ einfach gegensteuern. Erstens ist schon an der Außenwand die Inschrift „Kriege gehören ins Museum“. Damit ist die pazifistische Einstellung des Museums wohl klar gegeben. Der zweite Punkt ist die Anzahl der Jugend- und Schülergruppen, die wir pro Jahr begrüßen können. Von den rund 2.600 Führungen sind rund 1.700 Schülergruppen. Diese jetzt alle in einen politisch rechten Kontext zu rücken, ist vermessen. Wir haben auch rund zwei Drittel ausländische Besucher. Damit haben wir entsprechend andere Perspektiven. Ich wäre sehr vorsichtig, diese Besucher einem politisch extremen Lager, egal ob rechts oder links, zuzuordnen. Es sind einfach Interessierte. Hier lohnt vielleicht auch ein Vergleich: Wenn ich mich für Tiere nicht interessiere, werde ich keinen Zoo besuchen; wenn ich mich für Militärgeschichte interessiere, dann gehe ich in ein heeresgeschichtliches Museum, ohne als Extremist gelten zu müssen.
Redaktion: Es gibt hier Veranstaltungen wo man sich als Außenstehender beteiligen kann. Ich nenne „Montur und Pulverdampf“, wo sich die Traditionsverbände sehr stark involvieren. Jetzt könnte man da auch die Auffassung vertreten, da werde eine bestimmte Zeit verherrlicht, weil sie dargestellt wird, sogar mit einem Lagerleben. Ist das etwas, wo man daran denkt etwas ändern?
Christian Ortner: Nein. Ich glaube, das ist eine wichtige Veranstaltung. Zum einen ist es ein ganz massiver Besucherwunsch gewesen, dass man Uniformen, Ausrüstung oder auch die historischen Waffen einmal „in Aktion“ sehen oder sogar angreifen kann. Das ist ja bei Museumsobjekten nicht der Fall. Wir achten darauf, dass die Qualität der Präsentationen auch sehr authentisch ist. Es kann nicht jeder, der eine historische Uniform trägt, hier teilnehmen. Die Gruppen sind exakt ausgewählt und auf ihre Authentizität präzise überprüft. Die Darstellung eines Lagerlebens bereits als dessen Verherrlichung zu sehen, halte ich für vollkommen übertrieben und absurd. Auch wenn es nur ein Wochenende ist, luxuriös leben die Akteure in ihren Lagern nicht, schon gar nicht, wenn es dann einmal nass und kalt ist.
Redaktion: Wir danken recht herzlich für das Gespräch.
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Copyright Bilder: HGM by Nadja Meister